Die Corona-Notbremse macht keinen großen Unterschied zwischen drinnen und draußen: Wer sich aktuell treffen möchte in Kreisen mit einer Inzidenz über 100, der darf das nur mit einer weiteren Person. Das gilt beim gemeinsamen Abendessen in der stickigen WG-Küche genauso wie beim Picknick im Park. 

Diese Gleichstellung bedeutet aber nicht, dass beides gleich gefährlich ist. Kontakte in Innenräumen sind deutlich riskanter. Wer sich drinnen trifft, steckt sich fast 19-mal wahrscheinlicher mit dem Coronavirus an als draußen (The Journal of Infectious Diseases: Bulfone et al., 2021). Der Grund liegt in der häufigsten Ansteckungsart, über Aerosole

Draußen ist dieses Risiko sehr viel geringer. Durch den Luftaustausch mit der Umgebung verteilen sich ausgeatmete Aerosole schnell, die frische Luft verdünnt die virushaltigen Wolken. Es gibt aber dokumentierte Fälle, in denen sich Menschen draußen angesteckt haben. Wie zum Beispiel eine Familie in einer Studie der Universität Berkeley, die sich regelmäßig mit anderen Verwandten auf dem Spielplatz getroffen hat. Denn auch draußen unterscheiden sich die Risiken, manche Situationen sind sicherer als andere. 

Was braucht es überhaupt für eine Ansteckung?

Wie viele Viren jemand einatmen muss, um sich mit Covid-19 anzustecken, ist nicht exakt bekannt. Um das genau zu messen, müssten Menschen gezielt mit einer bestimmten Menge Virus in Kontakt gebracht werden, sagt Simone Scheithauer, Leiterin der Krankenhaushygiene am Uniklinikum Göttingen. Weil das unethisch wäre, gibt es nur Schätzungen. Scheithauer sagt, die Zeit spiele ebenfalls eine Rolle: "Man muss die Virusmenge nicht auf einen Schwall einatmen, um sich anzustecken. Das kann sich auch über mehrere Stunden aufbauen. Deswegen sollte man riskante Situationen zumindest abkürzen." 

An der frischen Luft verteilen sich Aerosole schnell in alle Richtungen. Wie effektiv sich die Viruskonzentration verringert und wohin die Aerosole geweht werden, hängt vom Wetter ab. Die genaue Verteilung der Aerosole draußen sei schwierig zu berechnen, sagt Astrid Kiendler-Scharr, Leiterin des Instituts für Energie- und Klimaforschung in Jülich: "Es gibt so viele Faktoren: die Sprechrichtung, die Position der Personen zueinander, den Wind, seine Richtung und Stärke, die Temperatur und Luftfeuchte." 

Die Wetterfaktoren wirken prinzipiell so: Windstille ist ungünstig, wenn man sich nicht bewegt und keinen Abstand hält. Bei Flaute kann sich nämlich an der frischen Luft eine Aerosolwolke um einen Menschen ansammeln. Sonnenschein hilft nur bedingt. UV-Strahlung tötet die Viren zwar mit der Zeit ab: Wenn die Sonne so stark scheint wie an einem schönen Frühlingstag in Hamburg, zerstört das Sonnenlicht 90 Prozent der Viren in 20 Minuten. Das nützt aber fast nur gegen Viren auf Oberflächen, mit denen sich ohnehin kaum jemand infiziert (The Lancet Infectious Diseases: Goldman, 2020). Ein Aerosol, das jemand einatmet, erreicht entweder schneller sein Ziel, als das UV-Licht desinfizieren kann, oder wird draußen in wenigen Sekunden verweht.

Das Wetter lässt sich nicht ändern. Was kann man also in verschiedenen Situationen tun, um Kontakte draußen sicherer zu machen? 

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Im Außenbereich eines Cafés

Internationale Expertinnen für Luftübertragungen empfehlen in einem FAQ zur Covid-19-Ansteckung, sich draußen nicht an einen Tisch zu setzen, der im Abwind eines anderen Tischs steht. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein konstanter Luftzug von diesem Tisch zum eigenen weht. Und auch am eigenen Tische gilt: Wenn die Luft über längere Zeit von einem Gesprächspartner, der infiziert ist, zum anderen weht, atmet Letzterer möglicherweise genug Aerosole ein, um sich anzustecken. 

"Wenn ich das Parfüm oder Rasierwasser einer Person rieche, atme ich wahrscheinlich auch ihre Aerosole ein. Die kann man nur leider nicht sehen. Es hilft, sich vorzustellen, wohin die Rauchfahne wehen würde, wenn jemand eine Zigarette raucht", sagt Eberhard Bodenschatz vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen.

Hier hilft sowohl die Richtung als auch die Entfernung. Nahe an einer Person ist die Virenkonzentration viel höher. In der Entfernung verdünnt sie sich wie Rauch, der verweht wird.

Die Atmosphärenforscherin Astrid Kiendler-Scharr empfiehlt außerdem, Bereiche mit Plexiglasscheiben zu meiden: "Ich würde eher dort sitzen, wo keine Plexiglasscheiben sind, weil sie die Luftbewegung aufhalten. Zwischen den Wänden kann sich die aerosolhaltige Luft stauen."

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Beim Picknick auf einer Decke

Auch auf der Picknickdecke gilt, möglichst nicht in der Ausatemwolke von anderen zu sitzen. "Einer Situation sollte man sich nicht über mehrere Stunden aussetzen", sagt Bodenschatz. "Um das zu verhindern, kann man auch einfach mal aufstehen und die Plätze durchtauschen." 

Bei lauten Gesprächen entstehen mehr Aerosole. Deswegen rät Simone Scheithauer, Krankenhaushygienikerin von der Uni Göttingen, zur Maske: "Wenn man zu fünft auf einer Picknickdecke sitzt und sich unterhält, kann das riskant sein. Solche Situation sollten wir mit Masken sicherer machen oder lieber kurz picknicken und dann spazierengehen." Das Risiko während lauter Gespräche ist natürlich nicht nur auf der Picknickdecke hoch, sondern auch im Biergarten.

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Bei einer Demonstration

Dort, wo Menschen laut schreien und rufen, entstehen viele Aerosole. Der Physiker Bodenschatz sagt: "Wenn überhaupt, würde ich in so eine Menschenansammlung nur mit Maske gehen. Man kann den Aerosolen dort schlecht ausweichen." Berechnungen von Wirtschaftswissenschaftlern des Leibniz-Instituts in Mannheim haben ergeben, dass zwei Querdenken-Demonstrationen im letzten Jahr etwa 16.000 bis 21.000 zusätzliche Ansteckungen verursacht haben. Wenn Abstandsgebote nicht eingehalten und keine Masken getragen werden, was auf Demonstrationen vorgeschrieben ist, kann das passieren. Große Menschenmengen erzeugen außerdem eine Thermik, weil sie die Umgebungsluft aufheizen. Die warme Luft steigt nach oben und zieht die Aerosolwolken mit sich. Das würde die Virenkonzentration senken, doch auf diesen Effekt sollte man sich nicht verlassen, sagt Bodenschatz. 

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In der Schlange vor dem Bäcker

Auch wenn alle Abstand halten: Wenn der Wind über längere Zeit aus der gleichen Richtung kommt und Wartende sich unterhalten, kann man sich unter Umständen anstecken. Das berichtet ein Virologe an der University of Maryland, der sich vermutlich vor einem Supermarkt infizierte. Eberhard Bodenschatz empfiehlt eine Maske, wenn man länger draußen ansteht und vor allem wenn man dabei redet. "Damit schütze ich andere", sagt er.

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Entgegenkommender Jogger

So eine Begegnung ist so kurz, dass man wahnsinniges Pech haben müsste, um sich dabei anzustecken. Der Jogger müsste hochinfektiös sein und man müsste genau in der Aerosolwolke tief einatmen, um sich anzustecken. Auch Radfahrer müssen sich keine Sorgen machen, andere Menschen anzustecken. "Ein Radfahrer, der allein unterwegs ist, braucht keine Maske zu tragen", sagt die Krankenhaushygienikerin Simone Scheithauer.

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Beim Spazierengehen

Spazierengehen mit Flaschenbier hat der Berliner Virologe Christian Drosten schon zu Beginn der Pandemie empfohlen, um Freunde sicher zu treffen. Das ist deswegen besonders sicher, weil sich durch die konstante Bewegung keine Aerosolwolke um die Personen bilden kann. Nur ein stetiger Wind vom einen zum anderen könnte hier eine Übertragung begünstigen. Dafür müsste der Wind aber längere Zeit aus der gleichen Richtung kommen. In so einem Fall empfiehlt der Physiker Bodenschatz, mal die Seiten zu tauschen. 

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